Cäsar: De Bello Gallico
Kapitel 1
Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam qui ipsorum lingua Celtae, nostra Galli appellantur. Hi omnes lingua, institutis, legibus inter se differunt. Gallos ab Aquitanis Garumna flumen, a Belgis Matrona et Sequana dividit. Horum omnium fortissimi sunt Belgae, propterea quod a cultu atque humanitate provinciae longissime absunt, minimeque ad eos mercatores saepe commeant atque ea quae ad effeminandos animos pertinent important, proximique sunt Germanis, qui trans Rhenum incolunt, quibuscum continenter bellum gerunt. Qua de causa Helvetii quoque reliquos Gallos virtute praecedunt, quod fere cotidianis proeliis cum Germanis contendunt, cum aut suis finibus eos prohibent aut ipsi in eorum finibus bellum gerunt. [...]
Gallien ist insgesamt in drei Teile aufgeteilt, von denen den einen die Belger bewohnen, den zweiten die Aquitanier und den dritten diejenigen, die in ihrer Sprache Kelten, in unserer Gallier genannt werden. Diese alle unterscheiden sich in ihren Sprachen, Einrichtungen und Gesetzen. Die Gallier trennt von den Aquitaniern der Fluss Garumna1, von den Belgern die Matrone2 und die Sequana3. Von diesen allen sind die Belger die tapfersten. Denn sie sind am weitesten von unserer Kunst und Kultur entfernt. Selten kommen zu ihnen Kaufmänner, die Dinge importieren, die zur Verweichlichung des Geistes beitragen. Ihre Nachbarn sind die Germanen, die jenseits des Rheins siedeln und mit denen sie ununterbrochen Krieg führen. Deshalb übertreffen auch die Helvetier die übrigen Gallier an Tapferkeit, weil sie beinahe täglich in Kämpfen mit den Germanen verwickelt sind, wenn sie entweder diese von ihrem eigenen Stammesgebiet fernhalten oder selbst auf deren Gebiet Krieg führen. [...]
1: Garumna = Garonne
2: Matrone = Marne
3: Sequana = Seine
Kapitel 2
Apud Helvetios longe nobilissimus fuit et ditissimus Orgetorix. Is M. Messala, [et P.] M. Pisone consulibus regni cupiditate inductus coniurationem nobilitatis fecit et civitati persuasit ut de finibus suis cum omnibus copiis exirent: perfacile esse, cum virtute omnibus praestarent, totius Galliae imperio potiri. Id hoc facilius iis persuasit, quod undique loci natura Helvetii continentur: una ex parte flumine Rheno latissimo atque altissimo, qui agrum Helvetium a Germanis dividit; altera ex parte monte Iura altissimo, qui est inter Sequanos et Helvetios; tertia lacu Lemanno et flumine Rhodano, qui provinciam nostram ab Helvetiis dividit. His rebus fiebat ut et minus late vagarentur et minus facile finitimis bellum inferre possent; qua ex parte homines bellandi cupidi magno dolore adficiebantur. Pro multitudine autem hominum et pro gloria belli atque fortitudinis angustos se fines habere arbitrabantur.
Orgetorix war bei den Helvetiern bei weitem der Vornehmste und Reichste. Dieser zettelte eine Verschwörung des Adels im Konsulatsjahr des Messula und Piso an, weil er sich von der Gier nach Herrschaft verleiten ließ. Und er überzeugte seinen Stamm, dass dieser aus seinem Gebiet mit all seinen Truppen und Hab und Gut ausziehen sollte. Er sagte, dass es ganz leicht sei, sich der Herrschaft über ganz Gallien zu bemächtigen, weil sie alle anderen Stämme an Tapferkeit überträfen. Davon überzeugte er sie um so leichter, weil die Helvetier von allen Seiten durch die Natur des Ortes eingeschränkt waren: Auf der einen Seite durch den sehr breiten Rhein, die die Felder vom Gebiet der Germanen trennt, auf der anderen Seite durch das sehr hohe Juragebirge, das zwischen den Helvetiern und Sequanern liegt. Auf der dritten durch den Genfer See und die Rhone, die unsere (die römische) Provinz von den Helvetiern trennt. Dadurch kam es, dass sie weniger herumwandern konnten und weniger leicht ihre Nachbarn bekriegen konnten. Deshalb wurde den Menschen, die so gierig nach Krieg waren, großer Schaden zugefügt. Sie glaubten, dass sie für die Anzahl an Menschen und für Kriegsruhm ein zu kleines Gebiet hätten.
Kapitel 3
His rebus adducti et auctoritate Orgetorigis permoti constituerunt ea quae ad proficiscendum pertinerent comparare, iumentorum et carrorum quam maximum numerum coemere, sementes quam maximas facere, ut in itinere copia frumenti suppeteret, cum proximis civitatibus pacem et amicitiam confirmare. Ad eas res conficiendas biennium sibi satis esse duxerunt; in tertium annum profectionem lege confirmant. Ad eas res conficiendas Orgetorix deligitur. Is sibi legationem ad civitates suscipit. In eo itinere persuadet Castico, Catamantaloedis filio, Sequano, cuius pater regnum in Sequanis multos annos obtinuerat et a senatu populi Romani amicus appellatus erat, ut regnum in civitate sua occuparet, quod pater ante habuerit; itemque Dumnorigi Haeduo, fratri Diviciaci, qui eo tempore principatum in civitate obtinebat ac maxime plebi acceptus erat, ut idem conaretur persuadet eique filiam suam in matrimonium dat. Perfacile factu esse illis probat conata perficere, propterea quod ipse suae civitatis imperium obtenturus esset: non esse dubium quin totius Galliae plurimum Helvetii possent; se suis copiis suoque exercitu illis regna conciliaturum confirmat. Hac oratione adducti inter se fidem et ius iurandum dant et regno occupato per tres potentissimos ac firmissimos populos totius Galliae sese potiri posse sperant.
Hierdurch und durch das Ansehen des Orgetorix bewegt, beschlossen sie, das, was ihrer Meinung nach zu einem Auszug gehörte, vorzubereiten. Nämlich eine möglichst große Zahl Zugtiere und Karren anzukaufen; eine möglichst große Saat zu machen, damit unterwegs der Getreidevorrat genügt; und mit den benachbarten Stämmen Frieden und Freundschaft zu schließen. Sie glaubten, dass ihnen, um diese Dinge zu erledigen, ein Zeitraum von zwei Jahren genüge. Für das dritte Jahr legten sie per Gesetz den Aufbruch fest. Zur Ausführung dieser Maßnahmen wurde Orgetorix gewählt. Dieser nahm die Gesandtschaft zu den Stämmen auf sich. In dieser Reise überzeugte er Casticus, den Sohn des Catamantaloedes, eines Sequaners, sich in seinem Stamm des Thrones zu bemächtigen, den sein Vater vorher innegehabt hatte. Ebenso überredete er den Häduer Dumnorix, den Bruder des Diviacus, der in dieser Zeit die erste Stelle in seinem Stamm innehatte, und der beim Volk sehr angesehen war, Es sei sehr leicht zu tun, überzeugte er jene, das Versuchte durchzuführen, deswegen,weil er selbst in seinem Stamm die Herrschaft übernehmen werde. Und es sei nicht zweifelhaft, dass die Helvetier in ganz Gallien am meisten könnten.
Er bekräftigte, dass er mit seinen Truppen und seinem Heer die Herrschaft für jene (Dumnorix & Casticus) gewinnen würde. Von dieser Rede veranlasst leisteten sie untereinander den Treueeid, und sie hofften, nachdem sie die Herrschaft übernommen hätten, dass sie mit Hilfe der drei mächtigen Völker ganz Gallien unterwerfen könnten.
Kapitel 4
Ea res est Helvetiis per indicium enuntiata. Moribus suis Orgetoricem ex vinculis causam dicere coegerunt; damnatum poenam sequi oportebat, ut igni cremaretur. Die constituta causae dictionis Orgetorix ad iudicium omnem suam familiam, ad hominum milia decem, undique coegit, et omnes clientes obaeratosque suos, quorum magnum numerum habebat, eodem conduxit; per eos ne causam diceret se eripuit. Cum civitas ob eam rem incitata armis ius suum exsequi conaretur multitudinemque hominum ex agris magistratus cogerent, Orgetorix mortuus est; neque abest suspicio, ut Helvetii arbitrantur, quin ipse sibi mortem consciverit.
Dieser Plan wurde bei den Helvetiern durch eine Anzeige gemeldet. Ihre Sitten zwangen Orgetorix, dass er sich als Gefangener vor dem Gericht verteidigen musste. Im Falle einer Verurteilung wäre er mit Verbrennung bestraft worden. Am festgesetzten Termin der Gerichtsverhandlung sammelte Orgetorix zur Urteilsverkündung von überall her seine ganze Familie, an die zehntausend Menschen (!), und führte am gleichen Ort seine Klienten und Schuldner zusammen, von denen er eine große Menge hatte. Durch diese befreite er sich davor, sich vor dem Gericht verantworten zu müssen. Als der Stamm, von dieser Sache erbitter, versuchte, sein Recht mit Waffengewalt durchzusetzen, und die Beamten eine große Menge Menschen aus dem Stammesgebiet versammelten, starb Orgetorix. Und es ist nicht klar / der Verdacht liegt nicht fern, dass er, wie die Helvetier glauben, Selbstmord begangen hat.
Kapitel 5
Post eius mortem nihilo minus Helvetii id quod constituerant facere conantur, ut e finibus suis exeant. Ubi iam se ad eam rem paratos esse arbitrati sunt, oppida sua omnia, numero ad duodecim, vicos ad quadringentos, reliqua privata aedificia incendunt; frumentum omne, praeter quod secum portaturi erant, comburunt, ut domum reditionis spe sublata paratiores ad omnia pericula subeunda essent; trium mensum molita cibaria sibi quemque domo efferre iubent. Persuadent Rauracis et Tulingis et Latobrigis finitimis, uti eodem usi consilio oppidis suis vicisque exustis una cum iis proficiscantur, Boiosque, qui trans Rhenum incoluerant et in agrum Noricum transierant Noreiamque oppugnabant, receptos ad se socios sibi adsciscunt.
Nach dessen Tod versuchten die Helvetier trotzdem, das, was sie beschlossen hatten, nämlich aus im Gebiet auszuziehen, auszuführen. Sobald sie für diese Sache bereit zu sein glaubten, verbrannten sie alle ihre Städte, zwölf an der Zahl, an die vierhundert Dörfer, und die übrigen privaten Gebäude; sie verbrannten alle Getreidevorräte, außer die, die sie mitnehmen wollten, damit sie, wenn ihnen die Hoffnung auf Rückkehr in die Heimat genommen ist, desto entschlossener seien, alle Gefahren auf sich zu nehmen. Einen Mehlvorrat für drei Monate sollte sich jeder befehlsmäßig von zu Hause mitnehmen. Sie überredeten die Rauricer, Tulinger und Latobriger, ihre Grenznachbarn, dass sie den selben Plan benutzen sollten und nach Einäscherung ihrer Städte und Dörfer gemeinsam mit ihnen ausziehen sollten. Auch die Bojer, die jenseits des Rheins gewohnt hatten, nach Norikum gezogen waren und gerade Noreia angriffen, nahmen sie bei sich als Begleiter auf und schlossen sie sich an.
Kapitel 6
Erant omnino itinera duo, quibus itineribus domo exire possent: unum per Sequanos, angustum et difficile, inter montem Iuram et flumen Rhodanum, vix qua singuli carri ducerentur, mons autem altissimus impendebat, ut facile perpauci prohibere possent; alterum per provinciam nostram, multo facilius atque expeditius, propterea quod inter fines Helvetiorum et Allobrogum, qui nuper pacati erant, Rhodanus fluit isque non nullis locis vado transitur. Extremum oppidum Allobrogum est proximumque Helvetiorum finibus Genava. Ex eo oppido pons ad Helvetios pertinet. Allobrogibus sese vel persuasuros, quod nondum bono animo in populum Romanum viderentur, existimabant vel vi coacturos ut per suos fines eos ire paterentur. Omnibus rebus ad profectionem comparatis diem dicunt, qua die ad ripam Rhodani omnes conveniant. Is dies erat a. d. V. Kal. Apr. L. Pisone, A. Gabinio consulibus.
Es gab insgesamt nur zwei Wege, auf denen die Helvetier ihre Heimat verlassen konnten, einen durch das Gebiet der Sequaner, schmal und beschwerlich, zwischen dem Jura und der Rhone, auf dem kaum einzelne Wägen fahren konnten; ein sehr hoher Berg aber hing herüber, sodass sehr wenige Leute ihn behindern hätten können. Der zweite Weg führte durch unsere Provinz, viel leichter und bequemer, weil zwischen dem Gebiet der Helvetier und dem der Allobroger - letztere wurden erst kürzlich "befriedet" - die Rhone fließt, die an einigen seichten Stellen überquert werden kann. Die aüßerste Stadt der Allobroger ist Genf, und sie liegt benachbart zum Gebiet der Helvetier. Aus dieser Stadt führt eine Brücke zu den Helvetiern. Die Helvetier gleubten, dass sie die Allobroger überzeugen oder sie mit Waffengewalt dazu zwingen könnten, sodass sie durch deren Gebiet ziehen dürften, weil diese noch nicht gut gegen das römische Volk gesinnt zu sein schienen. Nachdem alles zum Aufbruch vorbereitet war, setzen sie einen Tag fest, an dem sich alle an der Rhone treffen sollten. Dieser Tag war der 5. vor den Kalenden des Aprils im Konsulatsjahr des Lucius Piso und Aulus Gabinius (der 28. März 58 v. Chr.).
Kapitel 7
Caesari cum id nuntiatum esset, eos per provincia nostram iter facere conari, maturat ab urbe proficisci et quam maximis potest itineribus in Galliam ulteriorem contendit et ad Genavam pervenit. Provinciae toti quam maximum potest militum numerum imperat (erat omnino in Gallia ulteriore legio una), pontem, qui erat ad Genavam, iubet rescindi. Ubi de eius aventu Helvetii certiores facti sunt, legatos ad eum mittunt nobilissimos civitatis, cuius legationis Nammeius et Verucloetius principem locum obtinebant, qui dicerent sibi esse in animo sine ullo maleficio iter per provinciam facere, propterea quod aliud iter haberent nullum: rogare ut eius voluntate id sibi facere liceat. Caesar, quod memoria tenebat L. Cassium consulem occisum exercitumque eius ab Helvetiis pulsum et sub iugum missum, concedendum non putabat; neque homines inimico animo, data facultate per provinciam itineris faciundi, temperaturos ab iniuria et maleficio existimabat. Tamen, ut spatium intercedere posset dum milites quos imperaverat convenirent, legatis respondit diem se ad deliberandum sumpturum: si quid vellent, ad Id. April. reverterentur.
Als Cäsar dies gemeldet wurde, dass sie durch unsere Provinz zu ziehen versuchten, beeilte er sich, von der Stadt aufzubrechen, und er eilte so schnell er konnte ins jenseitige Gallien und erreichte Genf. Der ganzen Provinz befahl er, eine möglichst große Anzahl an Soldaten zu stellen - In ganz Gallien war nämlich nur eine Legion stationiert - und die Brücke, die bei Genf war, ließ er abbrechen. Sobald die Helvetier von seiner Ankunft benachrichtigt worden waren, schickten sie als Gesandte zu ihm, die Vornehmsten ihres Stammes. Diese sollten sagen, dass sie vorhätten, ohne Übeltaten durch die Provinz ziehen wollten: Deshalb, weil sie keinen anderen Weg hätten. Sie bäten darum, dass es ihnen erlaubt sei, dies mit seiner Einwilligung zu tun. Weil sich Cäsar erinnerte, dass von den Helvetiern der Konsul Lucius Cassius getötet und sein Heer besiegt und unters Joch geschickt worden war, glaubte er, nicht einwilligen zu dürfen. Außerdem glaubte er nicht, dass Menschen von feindlicher Gesinnung, wenn ihnen die Gelegenheit gegeben würde, durch die Provinz zu ziehen, sich von Unrecht und Feindseligkeit fernhalten würden. Damit jedoch Zeit vergehen könne, bis die Soldaten, denen er befohlen hatte, zusammenkommen, zusammenkämen, antwortete er den Gesandten, er werde sich eine Frist zum überlegen nehmen. Wenn sie etwas wollten, sollten sie an den Iden des Aprils (Mitte April) wiederkommen.
Kapitel 8
Interea ea legione quam secum habebat militibusque, qui ex provincia convenerant, a lacu Lemanno, qui in flumen Rhodanum influit, ad montem Iuram, qui fines Sequanorum ab Helvetiis dividit, milia passuum XVIIII murum in altitudinem pedum sedecim fossamque perducit. Eo opere perfecto praesidia disponit, castella communit, quo facilius, si se invito transire conentur, prohibere possit. Ubi ea dies quam constituerat cum legatis venit et legati ad eum reverterunt, negat se more et exemplo populi Romani posse iter ulli per provinciam dare et, si vim lacere conentur, prohibiturum ostendit. Helvetii ea spe deiecti navibus iunctis ratibusque compluribus factis, alii vadis Rhodani, qua minima altitudo fluminis erat, non numquam interdiu, saepius noctu si perrumpere possent conati, operis munitione et militum concursu et telis repulsi, hoc conatu destiterunt.
Inzwischen lässt Cäsar von der Legion, die er bei sich hatte, und von den Soldaten, die aus der Provinz zusammengekommen waren, vom Genfer See, der in die Rhone hineinfließt bis zum Juragebirge, das das Gebiet der Sequaner von den Helvetiern trennt, eine Mauer von 19.000 Doppelfuß Länge1 und 16 Fuß Höhe2 anlegen und einen Graben davor. Nachdem dieses Werk vollendet war, verteilte er Wachen und ließ Befestigungsanlagen bauen, damit er sie um so leichter abwehren könne, falls sie wider seinen Willen zu überzusetzen versuchen sollten. Sobald der Termin, den er mit den Gesandten vereinbart hatte, gekommen ist und diese zu ihm zurückgekehrt waren, weigerte er sich nach Sitte und Brauch des römischen Volkes, irgendeinen Durchzug durch die Provinz zuzulassen. Außerdem machte er klar, dass er es verhindern würde, falls sie Gewalt anzuwenden versuchen sollten. Einige Helvetier, in dieser Hoffnung getäuscht, versuchten, mit zusammenkoppelten Booten und mehreren gezimmerten Flößen, andere an seichten Stellen der Rhone, da wo die Tiefe des Flusses am geringsten war, oft bei Tag, häufiger bei Nacht, ob sie durchbrechen könnten. Sie wurden aber durch die Stärke der Verschanzung, den Ansturm der Soldaten und die Geschosse zurückgetrieben und ließen von diesem Versuch ab.
1: 19.000 Passus (Doppelfuß) ~ 28,12km
2: 16 Pes (Fuß) ~ 4,8m (röm. Maße siehe hier)
Kapitel 9
Relinquebatur una per Sequanos via, qua Sequanis invitis propter angustias ire non poterant. His cum sua sponte persuadere non possent, legatos ad Dumnorigem Haeduum mittunt, ut eo deprecatore a Sequanis impetrarent. Dumnorix gratia et largitione apud Sequanos plurimum poterat et Helvetiis erat amicus, quod ex ea civitate Orgetorigis filiam in matrimonium duxerat, et cupiditate regni adductus novis rebus studebat et quam plurimas civitates suo beneficio habere obstrictas volebat. Itaque rem suscipit et a Sequanis impetrat ut per fines suos Helvetios ire patiantur, obsidesque uti inter sese dent perficit: Sequani, ne itinere Helvetios prohibeant, Helvetii, ut sine maleficio et iniuria transeant.
So blieb nur der Weg durch das Land der Sequaner übrig, auf dem sie aber wegen seiner Enge gegen den Willen der Sequaner nicht ziehen konnten. Da sie diese von sich aus nicht überreden konnten, schickten sie Gesandte an den Häduer Dumnorix, um dies durch seine Fürsprache von den Sequanern zu erreichen. Dumnorix hatte durch seine Beliebtheit und Großzügigkeit bei den Sequanern einen sehr großen Einfluß und war ein Freund der Helvetier, weil er sich aus diesem Stamm mit der Tochter des Orgetorix verheiratet hatte, und von der Machtgier erfasst, war er auf Umsturz aus und wollte möglichst viele Stämme durch seine Dienste sich verpflichtet wissen. Daher übernahm er sich der Sache an und erreichte von den Sequanern, dass sie die Helvetier durch ihr Gebiet ziehen ließen, und setzte durch, dass sie gegenseitig Geiseln stellten: die Sequaner, damit sie die Helvetier nicht am Durchzug hinderten; die Helvetier, damit sie ohne rechtswidrige Übergriffe hindurchzogen.
Kapitel 10
Caesari renuntiatur Helvetiis esse in animo per agrum Sequanorum et Haeduorum iter in Santonum fines facere, qui non longe a Tolosatium finibus absunt, quae civitas est in provincia. Id si fieret, intellegebat magno cum periculo provinciae futurum ut homines bellicosos, populi Romani inimicos, locis patentibus maximeque frumentariis finitimos haberet. Ob eas causas ei munitioni quam fecerat T. Labienum legatum praeficit; ipse in Italiam magnis itineribus contendit duasque ibi legiones conscribit et tres, quae circum Aquileiam hiemabant, ex hibernis educit et, qua proximum iter in ulteriorem Galliam per Alpes erat, cum his quinque legionibus ire contendit. Ibi Ceutrones et Graioceli et Caturiges locis superioribus occupatis itinere exercitum prohibere conantur. Compluribus his proeliis pulsis ab Ocelo, quod est oppidum citerioris provinciae extremum, in fines Vocontiorum ulterioris provinciae die septimo pervenit; inde in Allobrogum fines, ab Allobrogibus in Segusiavos exercitum ducit. Hi sunt extra provinciam trans Rhodanum primi.
Cäsar wurde gemeldet, dass die Helvetier vorhätten, durch das Gebiet der Sequaner und Häduer ins Gebiet der Santoner zu ziehen. Diese sind nicht weit vom Gebiet der Tolosaten entfernt, ein Volk in unserer Provinz. Cäsar sah ein, dass es, wenn dies geschehe, mit großer Gefahr für die Provinz verbunden sein würde, wenn diese ein kriegerisches Volk mit offenem und sehr getreidereichem Gebiet als Nachbarn hätte. Deswegen stellte er die Befestigung, die er hatte anlegen lassen, unter den Befehl des Legaten1 Titus Labienus. Er selbst eilte so schnell wie möglich nach Italien, hob zwei Legionen aus, führte die drei Legionen, die bei Aquileja überwintern, aus dem Winterlager heraus und beeilte sich, wo der nächste Weg ins jenseitige Gallien über die Alpen führte, mit diesen fünf Legionen zurückzukehren. Dort versuchten die Ceutronen, Grajoceler und Caturigen nach Besetzung der beherrschenden Anhöhen das Heer am Weitermarsch zu hindern. Nachdem diese in mehreren Gemetzeln geschlagen worden sind, gelangte Cäsar von Ocelum, welches die außerste Stadt der diesseitigen Provinz ist, in das Gebiet der Vocontier in der jenseitigen Provinz in sieben Tagen. Von dort führte er sein Heer ins Gebiet der Allobroger, dann vom Gebiet der Allobroger ins Gebiet der Segusiaver. Diese sind die ersten außerhalb der Provinz jenseits der Rhone.
1: Legat = Stellvertreter und militärischer Befehlshaber (siehe hier)
Kapitel 11
Helvetii iam per angustias et fines Sequanorum suas copias traduxerant et in Haeduorum fines pervenerant eorumque agros populabantur. Haedui, cum se suaque ab iis defendere non possent, legatos ad Caesarem mittunt rogatum auxilium: ita se omni tempore de populo Romano meritos esse ut paene in conspectu exercitus nostri agri vastari, liberi [eorum] in servitutem abduci, oppida expugnari non debuerint. Eodem tempore quo Haedui Ambarri, necessarii et consanguinei Haeduorum, Caesarem certiorem faciunt sese depopulatis agris non facile ab oppidis vim hostium prohibere. Item Allobroges, qui trans Rhodanum vicos possessionesque habebant, fuga se ad Caesarem recipiunt et demonstrant sibi praeter agri solum nihil esse reliqui. Quibus rebus adductus Caesar non expectandum sibi statuit dum, omnibus, fortunis sociorum consumptis, in Santonos Helvetii pervenirent.
Die Helvetier hatten ihre Scharen bereits durch den Engpass und das Gebiet der Sequaner hindurchgeführt, waren ins Gebiet der Häduer gelangt und verwüsteten deren äcker. Da die Häduer sich und ihr Hab und Gut nicht verteidigen konnten, schickten sie Gesandte zu Cäsar, um Hilfe zu erbitten: So hätten sie sich jederzeit dem römischen Volk verdient gemacht, sodass beinahe im Angesicht unseres (des römischen) Heeres ihre äcker nicht hätten verwüstet, ihre Kinder nicht hätten in die Sklaverei entführt und ihre Städte nicht hätten erobert werden dürfen. Gleichzeitig benachrichtigten die Ambarrer, Freunde und Blutsverwandte der Häduer, Cäsar, dass sie nach Verwüstung ihrer äcker den Ansturm der Feinde nicht leicht von ihren Siedlungen abhalten konnten. Ebenso flüchteten die Allobroger, die jenseits der Rhone Dörfer und Besitz hatten, zu Cäsar und zeigten, dass ihnen nichts als ihre äcker übrig geblieben seien. Deshalb beschloss Cäsar, dass er nicht warten dürfe, bis die Helvetier im Gebiet der Santoner angekommen wären, nachdem das gesamte Hab und Gut der Verbündeten aufgebraucht/zerstört wäre.
Kapitel 12
Flumen est Arar, quod per fines Haeduorum et Sequanorum in Rhodanum influit, incredibili lenitate, ita ut oculis in utram partem fluat iudicari non possit. Id Helvetii ratibus ac lintribus iunctis transibant. Ubi per exploratores Caesar certior factus est tres iam partes copiarum Helvetios id flumen traduxisse, quartam vero partem citra flumen Ararim reliquam esse, de tertia vigilia cum legionibus tribus e castris profectus ad eam partem pervenit quae nondum flumen transierat. Eos impeditos et inopinantes adgressus magnam partem eorum concidit; reliqui sese fugae mandarunt atque in proximas silvas abdiderunt. Is pagus appellabatur Tigurinus; nam omnis civitas Helvetia in quattuor pagos divisa est. Hic pagus unus, cum domo exisset, patrum nostrorum memoria L. Cassium consulem interfecerat et eius exercitum sub iugum miserat. Ita sive casu sive consilio deorum immortalium quae pars civitatis Helvetiae insignem calamitatem populo Romano intulerat, ea princeps poenam persolvit. Qua in re Caesar non solum publicas, sed etiam privatas iniurias ultus est, quod eius soceri L. Pisonis avum, L. Pisonem legatum, Tigurini eodem proelio quo Cassium interfecerant.
Es gibt den Fluss Arar, der durch das Gebiet der Häduer und Sequaner in die Rhone mündet, der so unglaublich langsam fließt, dass mit dem Auge nicht beurteilen werden kann, in welche Richtung er fließt. Die Helvetier waren gerade dabei, ihn auf Flößen und zusammengekoppelten Kähnen zu überqueren. Sobald Cäsar von Kundschaftern davon benachrichtigt wurde, dass bereits drei Viertel der helvetischen Truppen den Fluss überquert hatten, das letzte Viertel jedoch noch diesseits der Rhone übrig sei, gelangte er noch während der dritten Nachtwache, nachdem er mit drei Legionen aus dem Lager aufgebrochen war, zu dem Teil, der den Fluß noch nicht überquert hatte. Diese waren nicht kampfbereit und völlig überrascht, als Cäsar sie angriffund einen großen Teil von ihnen tötete. Die übrigen flohen und verbargen sich in den nahegelegenen Wäldern. Dieser Gau hieß Tigurinus. Denn die gesamte helvetische Bevölkerung gliedert sich in vier Gaue1. Dieser eine Gau hatte, als er seine Heimat zur Zeit unserer Väter verlassen hatte, den Konsul Lucius Cassius getötet und sein Heer unters Joch geschickt. So wollte es der Zufall oder der Ratschlag der unsterblichen Götter, dass gerade der Teil der Helvetier, der dem römischen Volke eine empfindliche Niederlage beigebracht hatte, als erster seine Strafe erhielt. Damit rächte Cäsar nicht nur staatliches, sondern auch privates Unrecht, denn die Tiguriner hatten in derselben Schlacht, in der sie Cassius töteten, auch den Großvater seines Schwiegervaters, den Legaten Lucius Piso, getötet.
1: hier: Gau = Teil (siehe Gau)
Kapitel 13
Hoc proelio facto, reliquas copias Helvetiorum ut consequi posset, pontem in Arari faciendum curat atque ita exercitum traducit. Helvetii repentino eius adventu commoti cum id quod ipsi diebus XX aegerrime confecerant, ut flumen transirent, illum uno die fecisse intellegerent, legatos ad eum mittunt; cuius legationis Divico princeps fuit, qui bello Cassiano dux Helvetiorum fuerat. Is ita cum Caesare egit: si pacem populus Romanus cum Helvetiis faceret, in eam partem ituros atque ibi futuros Helvetios ubi eos Caesar constituisset atque esse voluisset; sin bello persequi perseveraret, reminisceretur et veteris incommodi populi Romani et pristinae virtutis Helvetiorum. Quod improviso unum pagum adortus esset, cum ii qui flumen transissent suis auxilium ferre non possent, ne ob eam rem aut suae magnopere virtuti tribueret aut ipsos despiceret. Se ita a patribus maioribusque suis didicisse, ut magis virtute contenderent quam dolo aut insidiis niterentur. Quare ne committeret ut is locus ubi constitissent ex calamitate populi Romani et internecione exercitus nomen caperet aut memoriam proderet.
Damit er nach dieser Schlacht die übrigen Scharen der Helvetier einholen konnte, sorgte er für den Bau einer Brücke über den Arar und führte auf diese Weise sein Heer hinüber. Die Helvetier waren durch dessen plötzlicher Ankunft in Aufruhr versetzt: Sie erkannten nämlich, dass das, was sie selbst in zwanzig Tagen nur mit Mühe fertiggebracht hatten, mämlich den Fluss zu überqueren, jener an einem einzigen Tag geschafft hatte. Deshalb schickten sie Gesandte zu ihm. Der Vornehmste von ihnen war Divico, der im Krieg mit Cassius Führer der Helvetier gewesen war. Dieser verhandelte folgendermaßen mit Cäsar: Wenn das römische Volk mit den Helvetiern Frieden schlösse, so würden die Helvetier dorthin ziehen und dort sich aufhalten, wo Cäsar sie ansiedele und wünsche, dass sie sich aufhielten. Verfolge er sie aber weiterhin mit Krieg, so solle er sich sowohl an das frühere Missgeschick des römischen Volkes als auch an die Tapferkeit der Helvetier1 erinnern. Cäsar hätte völlig überrachend einen Gau angegriffen und vernichtend geschlagen, als diejenigen, die den Fluss schon überschritten hatten, ihren Leuten nicht mehr zur Hilfe hätten kommen können. Wegen dieser Sache solle er sich nicht zu viel auf seine Tapferkeit einbilden oder die Helvetier verachten. Er hätte es selbst von seinen Vätern und Vorfahren gelernt: Nämlich mehr mit Tapferkeit zu kämpfen, anstatt eine List oder Falle zu benutzen. Deshalb solle er nicht zulassen, dass der Ort, an dem sie jetzt stünden, aus der Niederlage und Vernichtung des Heeres den Namen erhalte oder der Erinnerung Preis gegeben hätte.
1: Die "Schlacht bei Agen (siehe hier)
Kapitel 14
His Caesar ita respondit: eo sibi minus dubitationis dari, quod eas res quas legati Helvetii commemorassent memoria teneret, atque eo gravius ferre quo minus merito populi Romani accidissent; qui si alicuius iniuriae sibi conscius fuisset, non fuisse difficile cavere. [...]
Diesen antwortete Cäsar: Umso weniger Zweifel hatte er, weil er das, was die helvetischen Gesandten erwähnt haben, noch im Gedächtnis hatte. Aber er hätte umso schwerer daran getragen, wenn es durch die Schuld des römischen Volkes geschehen wäre. Wenn er sich irgendeinen Unrechts bewusst gewesen wäre, so wäre es nicht schwer gewesen, sich davor zu hüten. [...]
Kapitel 15
Postero die castra ex eo loco movent. Idem facit Caesar equitatumque omnem, ad numerum quattuor milium, quem ex omni provincia et Haeduis atque eorum sociis coactum habebat, praemittit, qui videant quas in partes hostes iter faciant. Qui cupidius novissimum agmen insecuti alieno loco cum equitatu Helvetiorum proelium committunt; et pauci de nostris cadunt. Quo proelio sublati Helvetii, quod quingentis equitibus tantam multitudinem equitum propulerant, audacius subsistere non numquam et novissimo agmine proelio nostros lacessere coeperunt. Caesar suos a proelio continebat, ac satis habebat in praesentia hostem rapinis, pabulationibus populationibusque prohibere. Ita dies circiter XV iter fecerunt uti inter novissimum hostium agmen et nostrum primum non amplius quinis aut senis milibus passuum interesset.
Am nächsten Tag brachen die Helvetier von diesem Ort auf. Das Gleiche machte Cäsar, und er schickte seine gesamte Reiterei voraus, an die 4000 Mann, die er aus der gesamten Provinz der Häduer und und deren Verbündeten zusammengezogen hatte. Diese sollten nachsehen, in welche Richtung die Feinde ihren Weg machten. Diejenigen, die die Nachhut der Feinde zu begierig verfolgt hatten, wurden auf ungünstigem Gelände in einen Kampf mit der helvetischen Reiterei verwickelt, doch nur wenige von den Unsrigen fielen. Durch dieses Treffen waren die Helvetier übermütig geworden, weil sie mit nur 500 Reitern eine so große Menge an Reitern vertrieben hatten, und deshalb begannen sie mutig Widerstand zu leisten und einige Male die Unsrigen von deren Nachhut her in einen Kampf zu verwickeln. Cäsar hielt seine Leute vom Kampf zurück und war im Augenblick damit zufrieden, die Feinde von Plünderungen und Raubzügen fernzuhalten. So marschierten sie 15 Tage lang, sodass zwischen der Nachhut der Feinde und unserer Vorhut nicht mehr als 5 oder 6 Meilen waren.
Kapitel 16
Interim cotidie Caesar Haeduos frumentum, quod essent publice polliciti, flagitare. Nam propter frigora [quod Gallia sub septentrionibus, ut ante dictum est, posita est,] non modo frumenta in agris matura non erant, sed ne pabuli quidem satis magna copia suppetebat; eo autem frumento quod flumine Arari navibus subvexerat propterea uti minus poterat quod iter ab Arari Helvetii averterant, a quibus discedere nolebat. Diem ex die ducere Haedui: conferri, comportari, adesse dicere. Ubi se diutius duci intellexit et diem instare quo die frumentum militibus metiri oporteret, convocatis eorum principibus, quorum magnam copiam in castris habebat, in his Diviciaco et Lisco, qui summo magistratui praeerat, quem vergobretum appellant Haedui, qui creatur annuus et vitae necisque in suos habet potestatem, graviter eos accusat, quod, cum neque emi neque ex agris sumi possit, tam necessario tempore, tam propinquis hostibus ab iis non sublevetur, praesertim cum magna ex parte eorum precibus adductus bellum susceperit [; multo etiam gravius quod sit destitutus queritur].
Inzwischen forderte Cäsar täglich von den Häduern das Getreide, das sie im Namen ihres Stammes versprochen hatten. Denn wegen des kalten Klimas, weil Gallien im Norden liegt, war nämlich nicht nur das Getreide auf den Feldern noch nicht reif, sondern es war auch nicht einmal eine ausreichende Menge an Grünfutter vorhanden. Das Getreide aber, das Cäsar auf dem Arar mit Schiffen hatte hertransportieren lassen, konnte er deswegen weniger verwenden, weil die Helvetier ihren Marsch vom Arar abgewendet hatten, und Cäsar wiederum wollte von den Helvetiern nicht weggehen. Tag für Tag hielten die Häduer ihn hin: Sie sagten, dass es herbeigebracht werde, geliefert werde und dann schon da sein werde. Cäsar bemerkte, dass er immer länger hingehalten wurde. Der Tag stand bevor, an dem er den Soldaten ihre Getreiderationen zuteilen lassen musste. Er lies die Stammesfürsten zusammenrufen, von denen er eine große Menge im Lager hatte. Unter ihnen waren Diviacus und Liscus, letzterer hatte eine Leiterposition unter den Beamten inne, und den die Häduer nannten ihn "Vergobret"1. Dieser wird jährlich gewählt und hat Macht über Leben und Tod in seinem Stamm. Cäsar beschuldigte sie schwer, dass er von ihnen nicht unterstützt wurde in einer Zeit, in der er sich weder Getreide kaufen Vor allem, weil er zu einem großen Teil auf ihre Bitten hin den Krieg begonnen hatte. Und er klagt sogar noch viel mehr darüber, dass er von ihnen im Stich gelassen werde.
1: Vergobret ~ Konsul (siehe hier)
Kapitel 17
Tum demum Liscus oratione Caesaris adductus quod antea tacuerat proponit: esse non nullos, quorum auctoritas apud plebem plurimum valeat, qui privatim plus possint quam ipsi magistratus. Hos seditiosa atque improba oratione multitudinem deterrere, ne frumentum conferant quod debeant: praestare, si iam principatum Galliae obtinere non possint, Gallorum quam Romanorum imperia perferre, neque dubitare [debeant] quin, si Helvetios superaverint Romani, una cum reliqua Gallia Haeduis libertatem sint erepturi. Ab isdem nostra consilia quaeque in castris gerantur hostibus enuntiari; hos a se coerceri non posse. Quin etiam, quod necessariam rem coactus Caesari enuntiarit, intellegere sese quanto id cum periculo fecerit, et ob eam causam quam diu potuerit tacuisse.
Jetzt erst brachte Liscus, durch die Rede Cäsars veranlasst, vor, was er vorher verschwiegen hatte: Es gebe einige, deren Ansehen beim niederen Volke sehr viel gelte, die als Privatleute größeren Einfluss besäßen als selbst die Behörden. Diese hielten durch aufrührerische und boshafte Reden die große Masse davon zurück, das Getreide zu liefern, das sie liefern sollten: Es sei besser, wenn sie schon die Führung in Gallien nicht behaupten könnten, das Regiment der Gallier als das der Römer zu ertragen; auch zweifelten sie nicht daran, dass die Römer, wenn sie die Helvetier überwunden hätten, zusammen mit dem übrigen Gallien den Häduern die Freiheit rauben würden. Von denselben würden unsere Pläne und was im Lager vor sich gehe den Feinden verraten; diese könnten von ihm nicht im Zaume gehalten werden. Ja, was er, durch die Notlage gezwungen, Cäsar mitgeteilt habe, so sehe er ein, unter welch großer Gefahr er das getan habe, und aus diesem Grunde habe er, so lange er gekonnt, geschwiegen.
Kapitel 18
Caesar hac oratione Lisci Dumnorigem, Diviciaci fratrem, designari sentiebat, sed, quod pluribus praesentibus eas res iactari nolebat, celeriter concilium dimittit, Liscum retinet. Quaerit ex solo ea quae in conventu dixerat. Dicit liberius atque audacius. Eadem secreto ab aliis quaerit; reperit esse vera: ipsum esse Dumnorigem, summa audacia, magna apud plebem propter liberalitatem gratia, cupidum rerum novarum. Complures annos portoria reliquaque omnia Haeduorum vectigalia parvo pretio redempta habere, propterea quod illo licente contra liceri audeat nemo. His rebus et suam rem familiarem auxisse et facultates ad largiendum magnas comparasse; magnum umerum equitatus suo sumptu semper alere et circum se habere, neque solum domi, sed etiam apud finitimas civitates largiter posse, atque huius potentiae causa matrem in Biturigibus homini illic nobilissimo ac potentissimo conlocasse; ipsum ex Helvetiis uxorem habere, sororum ex matre et propinquas suas nuptum in alias civitates conlocasse. Favere et cupere Helvetiis propter eam adfinitatem, odisse etiam suo nomine Caesarem et Romanos, quod eorum adventu potentia eius deminuta et Diviciacus frater in antiquum locum gratiae atque honoris sit restitutus. Si quid accidat Romanis, summam in spem per Helvetios regni obtinendi venire; imperio populi Romani non modo de regno, sed etiam de ea quam habeat gratia desperare. Reperiebat etiam in quaerendo Caesar, quod proelium equestre adversum paucis ante diebus esset factum, initium eius fugae factum a Dumnorige atque eius equitibus (nam equitatui, quem auxilio Caesari Haedui miserant, Dumnorix praeerat): eorum fuga reliquum esse equitatum perterritum.
Cäsar bemerkte, dass durch diese Rede des Liscus Dumnorix, der Bruder des Diviciacus, gemeint sei, aber weil er nicht wollte, dass diese Angelegenheiten in Anwesenheit Dritter erörtert würden, entließ er schnell die Versammlung, Liscus behielt er zurück. Er befragte ihn unter vier Augen über das, was er in der Versammlung geäußert hatte: Dumnorix selbst sei von höchster Kühnheit und von großer Beliebtheit beim Volk wegen seiner Freizügigkeit, und sei er begierig auf Umsturz/Machtergreifung. Mehrere Jahre lang habe er die Zölle und alle übrigen Steuereinnahmen der Häduer für einen geringen Preis gekauft; deshalb, weil niemand es wagte gegen ihn zu bieten, nachdem dieser geboten hatte. Dadurch habe er sowohl sein eigenes Vermögen vergrößert als auch reiche Mittel zum Schenken erworben. Eine große Anzahl an Reitern unterhalte er immer auf eigene Kosten und habe sie um sich1. Und nicht nur in der Heimat, sondern auch bei den Nachbarstämmen habe er großen Einfluss. Wegen seines Einflusses habe er seine Mutter an einen Mann verheiratet, der bei den Biturigern sehr hoch angesehen und mächtig war. Er selbst habe eine helvetische Frau, und seine Schwester mütterlicherseits sowie seine weiblichen Verwandten habe er durch Heirat in anderen Stämmen untergebracht. Wegen dieser Verwandtschaft bevorzuge er vor allem die Helvetier. Er hasse auch aus persönlichen Gründen Cäsar und die Römer, weil durch ihre Ankunft seine Macht verkleinert und sein Bruder Diviciacus in die alte Position von Einfluss und Ehre wieder eingesetzt worden war. Wenn den Römern irgendetwas zustoßen würde, würde er sich größte Hoffnungen machen, mit Hilfe der Helvetier zur Königsherrschaft zu kommen. Unter der Herrschaft des römischen Volkes würde er nicht nur die Hoffnung auf die Königsherrschaft aufgeben, sondern auch die Beliebtheit, die er momentan habe. Cäsar fand beim Nachfragen auch heraus, dass das Reitergefecht vor einigen Tagen2 deshalb unglücklich verlaufen wäre, weil der Anfang der Flucht von Dumnorix und seinen Reitern begonnen worden sei - denn die Reiterei, die die Häduer Cäsar zu Hilfe geschickt hatten, stand unter Dumnorix' Befehl, durch deren Flucht sei die übrige Reiterei erschreckt worden.
1: Das entspricht einer Leibwache!
2: Gemeint ist das Reitergefecht aus Kapitel 15.
Kapitel 19
Quibus rebus cognitis, cum ad has suspiciones certissimae res accederent, quod per fines Sequanorum Helvetios traduxisset, quod obsides inter eos dandos curasset, quod ea omnia non modo iniussu suo et civitatis sed etiam inscientibus ipsis fecisset, quod a magistratu Haeduorum accusaretur, satis esse causae arbitrabatur quare in eum aut ipse animadverteret aut civitatem animadvertere iuberet. His omnibus rebus unum repugnabat, quod Diviciaci fratris summum in populum Romanum studium, summum in se voluntatem, egregiam fidem, iustitiam, temperantiam cognoverat; nam ne eius supplicio Diviciaci animum offenderet verebatur. Itaque prius quam quicquam conaretur, Diviciacum ad se vocari iubet et, cotidianis interpretibus remotis, per C. Valerium Troucillum, principem Galliae provinciae, familiarem suum, cui summam omnium rerum fidem habebat, cum eo conloquitur; simul commonefacit quae ipso praesente in concilio [Gallorum] de Dumnorige sint dicta, et ostendit quae separatim quisque de eo apud se dixerit. Petit atque hortatur ut sine eius offensione animi vel ipse de eo causa cognita statuat vel civitatem statuere iubeat.
Als nach Bekanntwerden dieser Dinge zu den Vermutungen gesicherte Tatbestände hinzukamen, nämlich dass Dumnorix die Helvetier durch das Gebiet der Sequaner geführt hatte; dass er für den gegenseitigen Austausch von Geiseln gesorgt hatte; dass er all diese Dinge nicht nur ohne Befehl Cäsars oder den Befehl seines Stammes, sondern sogar ohne das Wissen seiner eigenen Leute gemacht hatte; und dass er von den Beamten der Häduer angeklagt wurde, glaubte Cäsar, genügend Gründe zu haben, um entweder selbst gegen diesen vorzugehen oder um den Stamm gegen ihn vorgehen zu lassen. All diesen Dingen stand nur eine Sache entgegen: Nämlich, dass sich Dumnorix' Bruder Diviciacus sehr stark für das römische Volk einsetzte, Cäsar eine große Zuneigung zu ihm gefasst hatte und dass er ihn als Mann von herausragender Treue, Gerechtigkeit und Mäßigung kennengelernt hatte; und er deshalb fürchtete, er könnte dessen Gemüt verletzen, wenn er Dumnorix hinrichte. Deswegen befahl er, ehe er irgendetwas unternahm, Diviciacus zu sich rufen zu lassen. Nachdem er den täglichen Dolmetscher entlassen hatte, sprach er mit ihm durch Valerius, dem Anführer der gallischen Provinz, einem engen Vertrauten, dem er in allen Dingen das höchste Vertrauen schenkte; er erinnerte zugleich Diviciacus ausdrücklich daran, was in dessen Anwesenheit in der Versammlung der Gallier über Dumnorix gesagt worden war, und er erklärte auch, was in privaten Gesprächen jeder über diesen zu Cäsar gesagt hatte. Er bat Diviciacus dringend darum und forderte ihn auf, dass er ohne ihn persönlich verletzen zu wollen entweder selbst nach einer Untersuchung des Falles Dumnorix verurteilen sollte oder ob er dem Stamm befehlen sollte, ein Urteil zu fällen.
Kapitel 20
Diviciacus multis cum lacrimis Caesarem complexus obsecrare coepit ne quid gravius in fratrem statueret: [...] Haec cum pluribus verbis flens a Caesare peteret, Caesar eius dextram prendit; consolatus rogat finem orandi faciat; tanti eius apud se gratiam esse ostendit uti et rei publicae iniuriam et suum dolorem eius voluntati ac precibus condonet. Dumnorigem ad se vocat, fratrem adhibet; quae in eo reprehendat ostendit; quae ipse intellegat, quae civitas queratur proponit; monet ut in reliquum tempus omnes suspiciones vitet; praeterita se Diviciaco fratri condonare dicit. Dumnorigi custodes ponit, ut quae agat, quibuscum loquatur scire possit.
Diviciacus umarmte Cäsar unter vielen Tränen und begann ihn inständig anzuflehen, nicht irgendetwas Schwerwiegendes gegen seinen Bruder zu fällen. [...] Als er dies mit vielen Worten weinend von Cäsar erbat, ergriff dieser seine rechte Hand und tröstete und bat ihn, seinem Bitten ein Ende zu machen; Cäsar zeigte ihm, dass er ihm so viel wert sei, dass er sowohl das Unrecht dem römischen Staat gegenüber, als auch Cäsars persönlichen Schmerz wegen Diviciacus' Aufrichtigkeit und seiner Bitte verzeihe. Er rief Dumnorix zu sich; er fügte dessen Bruder hinzu; was er an ihm kritisiert hatte, legte er da; und er führte vor Augen, was er selbst wusste und was der Stamm der Häduer beklagte. Er ermahnte Dumnorix, dass er jeden Verdacht gegen sich in der übrigen Zeit vermeiden sollte, und er sagte, dass er seimem Bruder Diviciacus die vergangenen Dinge verzeihe. Dann ließ Cäsar Wachen für Dumnorix aufstellen1, damit er wissen konnte, was dieser tat und mit wem er sich unterhielt.
1: Besser: Er ließ ihn beschatten
Kapitel 21
Eodem die ab exploratoribus certior factus hostes sub monte consedisse milia passuum ab ipsius castris octo, qualis esset natura montis et qualis in circuitu ascensus qui cognoscerent misit. Renuntiatum est facilem esse. De tertia vigilia T. Labienum, legatum pro praetore, cum duabus legionibus et iis ducibus qui iter cognoverant summum iugum montis ascendere iubet; quid sui consilii sit ostendit. Ipse de quarta vigilia eodem itinere quo hostes ierant ad eos contendit equitatumque omnem ante se mittit. P. Considius, qui rei militaris peritissimus habebatur et in exercitu L. Sullae et postea in M. Crassi fuerat, cum exploratoribus praemittitur.
Noch am selben Tag erfuhr Cäsar von Kundschaftern, dass sich die Feinde am Fuße eines Berges niedergelassen hätten, 8000 Doppelschritte1 von seinem Lager entfernt. Er schickte Leute dorthin, die herausfinden sollten, wie beschaffen die Lage des Berges und wie beschaffen ringsum der Anstieg sei. Es wurde ihm zurückgemeldet, er sei leicht. Cäsar befahl Titus Labienus, seinem stellvertretendem Legaten2, noch während der dritten Nachtwache mit zwei Legionen und unter Führung derer, die den Weg erkundet hatten, den Gipfel des Berges zu ersteigen; was sein Plan war, erklärte er. Er selbst eilte noch während der vierten Nachtwache auf demselben Weg, auf dem die Feinde gezogen waren, zu diesen und schickte die gesamte Reiterei vor sich her. Publius Considius, der für einen erfahrenen Soldaten gehalten wurde und im Heer des Lucius Sulla gedient hatte und danach in dem des Marcus Crassus, wurde mit Kundschaftern vorausgeschickt.
1: 8.000 Passus (Doppelfuß) ~ 11,84km (röm. Maße siehe hier)
2: Für Cäsars großes Heer gab es zwei Heerführer: Der erste war Cäsar selbst, der zweite sein Stellvertreter Titus Labienus
Kapitel 22
Prima luce, cum summus mons a [Lucio] Labieno teneretur, ipse ab hostium castris non longius mille et quingentis passibus abesset neque, ut postea ex captivis comperit, aut ipsius adventus aut Labieni cognitus esset, Considius equo admisso ad eum accurrit, dicit montem, quem a Labieno occupari voluerit, ab hostibus teneri: id se a Gallicis armis atque insignibus cognovisse. [...]
Bei Tagesanbruch, als der Gipfel des Berges von Labienus besetzt wurde und Cäsar selbst vom Lager der Feinde nicht weiter als 1500 Doppelschritte1 entfernt war, sind weder seine eigene Ankunft noch die des Labienus bemerkt worden, wie er später von Kriegsgefangenen erfuhr. Auf einem Pferd sprengte Considius in vollem Galopp zu ihm und meldete, dass der Berg, den Cäsar einnehmen wollte, von den Galliern besetzt werde: Das hätte er an den gallischen Waffen und Feldzeichen erkannt2. [...]
1: 1.500 Passus (Doppelfuß) ~ 2220m
2: Zeichen der Unwissenheit Considius': Die Feldzeichen gehörten den helvetischen Hilfstruppen, die Cäsar angefordert hatte.
Fehler gefunden? Melde ihn bitte auf GitHub oder kontaktiere uns unter unserer E-Mail-Adresse!